Karen Köhler: Miroloi
Moderation: Martin Bruch
Ein Dorf, eine Insel, eine eigene Welt: Im ersten Roman der gefeierten Erzählerin Karen Köhler wächst eine junge Frau als Findelkind in einer abgeschirmten Gesellschaft auf. Hier haben Männer das Sagen, dürfen Frauen nicht lesen, lasten heilige Gesetze auf allem. Was passiert, wenn man sich an einem solchen Ort als Außenseiterin gegen die Regeln stellt, heimlich lesen lernt, sich verliebt – davon handelt „Miroloi“ (Hanser, 2019). „Ich wollte von einer Stellvertreter*innengesellschaft erzählen“, sagt Karen Köhler: „Auf einer Insel im Mittelmeer hatte ich die perfekten geografischen Bedingungen (…), denn ich wollte unbedingt eine zivilisatorische Abgeschiedenheit beschreiben. Ich habe Interviews geführt und insgesamt mehr als vier Monate vor Ort recherchiert und gearbeitet.“ Entstanden ist eine universelle Geschichte. Ein Roman, in dem jedes Detail leuchtet und brennt.
Karen Köhler hat Schauspiel studiert, lebt heute auf St. Pauli, schreibt Theaterstücke, Drehbücher und Prosa. 2014 erschien ihr viel beachteter Erzählungsband „Wir haben Raketen geangelt“. Für „Miroloi“ erhielt sie ein Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung und das Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds.
Sandra Burkhardt: wer A sagt
Moderation: Katharina Knüppel
Über den Umschlag von Sandra Burkhardts „wer A sagt“ (Gutleut, 2018) schlängeln sich abstrakte Muster und Texturen. Faltet man das Papier auf, fügen sie sich zu einem dreidimensionalen Raum. Nach diesem faszinierenden Spiel mit der Perspektive ist man bereit für die Phänomenologie des Ornaments, welche die 1992 geborene Open Mike-Preisträgerin in ihrem Debütband entwickelt. Sie beobachtet organische Strukturen wie die Bahnen einer Meeresschildkröte, geometrische wie den Satz des Pythagoras, stoffliche wie islamische Teppiche oder fluide wie die Wellen im Trevi-Brunnen.
Ihre zwischen Lyrik und Prosa changierenden Texte erforschen die Bedingungen unserer Wahrnehmung und ihre Übertragbarkeit in eine sprachliche Form. In den Überschüssen und Unzulänglichkeiten findet sie feine Komik, überraschende Bilder, Blickwechsel. Die Dichterin nähert sich ihrem Gegenstand im Modus des Fragens, mit einladender Geste: „man“ und „wir“ erkunden Räume, durchwandern Landschaften, stellen Experimente an, straucheln, stolpern – und staunen. „Sandra Burkhardt konfrontiert uns mit einem neuen poetischen Alphabet, damit wir zurückfinden zu dem, was in der digitalen Reizwelt verloren zu gehen droht: nämlich ‚Anschauung‘.“ (Michael Braun)
Radka Denemarková: Ein Beitrag zur Geschichte der Freude
Moderation: Thomas Geiger
Radka Denemarková, die „große Tabubrecherin und Themensetzerin der tschechischen Gegenwartsliteratur“ (NZZ), verwebt in ihrem neuen Roman Fakten, Fiktion und Elemente des Kriminalromans zu einem erschütternden Panorama der Gewalt gegen Frauen. „Ein Beitrag zur Geschichte der Freude“ (Hoffmann und Campe, 2019, übersetzt von Eva Profousová) erzählt von einem Geschäftsmann, der tot in einer Prager Luxusvilla aufgefunden wird. Eine Spur führt den Ermittler zu drei älteren Frauen, die über scheinbar unbegrenzte Mittel verfügen. Sie betreiben in der tschechischen Hauptstadt ein Archiv, in dem Tausende Fälle von Gewalt gegen Frauen dokumentiert sind. Gleichzeitig versuchen sie, Mädchen zu retten.
„Ein Beitrag zur Geschichte der Freude“ ist nach „Ein herrlicher Flecken Erde“ der zweite auf Deutsch vorliegende Roman der 1968 geborenen Autorin, Dramatikerin, Drehbuchautorin und Essayistin. Vielfach ausgezeichnet, ist die Germanistin außerdem Übersetzerin von Herta Müller. Radka Denemarková gilt als Reisende zwischen den Disziplinen und provoziert weiterhin: Ihr Roman „Hodiny z olova“ („Stunden aus Blei“) hat ihr wegen der darin enthaltenen Regimekritik ein Einreiseverbot in China eingetragen.
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Foto Karen Köhler: © Christian Rothe
Datum: 09.11.2019, 10-13 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Eintritt: 5 Euro (für alle drei Lesungen)