Die Veranstaltung findet als Livestream aus dem Literaturhaus statt: ein Abend, drei neue Bücher! „Aus der Zuckerfabrik“ folgt den Spuren des Geldes und des Verlangens durch die Jahrhunderte und Weltgegenden, „Wenn es dunkel wird“ erzählt vom Unheimlichen und Gespenstischen, „Malé“ erfindet den Endzeit-Tourismus auf den Malediven.
Dorothee Elmiger: Aus der Zuckerfabrik
Moderation: Martin Bruch
Einladung an die Waghalsigen – unter diesem Motto eröffnete am 22. Oktober 2017 das Literaturhaus in Freiburgs Stadtmitte. Entlehnt war es dem kühnen Debütroman der Schweizer Autorin Dorothee Elmiger, der u. a. den Aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt erhielt. 2014 folgte der vielbeachtete Roman „Schlafgänger“, zum Literaturgespräch bringt Elmiger nun „Aus der Zuckerfabrik“ (Hanser, 2020) mit.
„My skills never end“ steht auf dem T-Shirt eines Arbeiters, der gerade seinen Lohn ausbezahlt bekommt. Am Strand einer karibischen Insel steht der erste Lottomillionär der Schweiz und blickt aufs Meer hinaus. Nachts drängen sich Ziegen am Bett der Autorin. Dorothee Elmiger folgt den Spuren des Geldes und des Verlangens durch die Jahrhunderte und die Weltgegenden. Sie entwirft Biografien von Mystikerinnen, Unersättlichen, Spielern, Orgiastinnen und Kolonialisten, protokolliert Träume und Fälle von Ekstase und Wahnsinn. „Aus der Zuckerfabrik“ ist die Geschichte einer Recherche, ein Journal voller Beobachtungen, Befragungen und Ermittlungen. Ein Text, der den Blick öffnet für die Komplexität dieser Welt.
Peter Stamm: Wenn es dunkel wird
Moderation: Martin Bruch
„David hatte die Maske mitgenommen, obwohl er sicher war, dass er sie heute noch nicht brauchen würde, eine Eichhörnchenmaske, die den ganzen Kopf bedeckte.“ So beginnt „Nahtigal“, eine von elf neuen Erzählungen des großen Schweizer Schriftstellers. „Peter Stamm führt uns in ein virtuos konstruiertes Labyrinth, in dem wir uns glücklich verlieren“, begründet die Jury des Schweizer Buchpreises 2018 ihre Entscheidung für Stamms letzten Roman: „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ zeigt sich als vielschichtige Doppelgänger-Geschichte. Und auch im Erzählband „Wenn es dunkel wird“ (Fischer, 2020) ist nichts, wie es scheint.
Georg geht bald in Rente. Im Büro wird er schon nicht mehr beachtet, zu Hause wartet kein Essen auf ihn. Er scheint sich langsam aufzulösen und fühlt sich, als würde er schweben. Sabrina ist geschmeichelt, als ein Künstler sie anspricht, und dann erschrickt sie, als sie sich zum ersten Mal als Kunstwerk sieht. Was, wenn die ungeheuerliche Fantasie realer wäre als die Wirklichkeit?
In all seinen Büchern lotet Peter Stamm die Facetten menschlicher Existenz aus. Seine Figuren sind Versehrte und Fantasten. Seine Kurzgeschichten meisterhaft. Im neuen Band führen sie ins Unheimliche, erzählen von zärtlichem Grauen, abgründigem Schwindel und gespenstischer Liebe.
Roman Ehrlich: Malé
Moderation: Frederik Skorzinski
Alle Versuche, die Malediven vor dem steigenden Meeresspiegel zu retten, sind gescheitert: Der Großteil der Bevölkerung musste die Inseln verlassen, Pauschaltouristen haben sich längst neue Ziele gesucht. Die heruntergekommene Hauptstadt Malé wird für die kurze Zeit bis zu ihrem Untergang zur Projektionsfläche für Aussteiger*innen und Utopist*innen, zu einem Ort, an dem neue Formen der Solidarität erprobt werden – und Menschen unauffindbar verschwinden.
Schon seine Dankesrede zum Bremer Literaturpreis 2014 hat Roman Ehrlich der „Freiheit des Erzählens“, dem Unheimlichen als dem „ein für alle Mal Feststehenden“ und der „Angst vor dem Unendlichen, dem Ungreifbaren, Unergründlichen“ gewidmet. „Die Fremdheit, die Gegenstand dieser Angst ist“, schreibt Ehrlich, „ist jedoch mit der Freiheit eng verwandt. Beide werden durch Grenzen definiert. Durch Grenzüberschreitungen.“ Auch „Malé“ (S. Fischer, 2020), das bereits sechste Buch des 1983 geborenen Erzählers, ist ein Grenzgang zwischen Euphorie und Albtraum, Freiheit und Abhängigkeit. „Seine Sätze sind Störfaktoren, raffinierte Täuschungsmanöver“, schreibt Literaturkritikerin Insa Wilke. Sie locken in eine Welt voller Abgründe, die der unsrigen unheimlich ähnelt.
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Fotos v.l.n.r.: © Peter-Andreas Hassiepen, Michael Disqué, Anita Affentranger
Datum: 20.01.2021, 18-21 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Livestream-Ticket: 5 Euro (für alle drei Lesungen)