Das Literaturgespräch entfällt entsprechend der aktuellen Corona-Maßnahmen. Die Veranstaltungen werden nach Möglichkeit Anfang 2021 nachgeholt.
Nora Gomringer: Gottesanbieterin
Moderation: Anna Lee Engel
Mit Fotografien, Skizzen und Grafiken von Zara Teller sowie einem raffiniert verspiegelten Cover spielt der Gedichtband „Gottesanbieterin“ (Voland & Quist, 2020) die Gretchen-Frage, der sich Nora Gomringer stellt, direkt zurück zu den Lesenden. Glaubst du? Wie und an was, an wen? Gomringer antwortet in Essays, Reden, Geschichten und natürlich: in Gedichten. Die Lyrikerin hat sich zuletzt mit irdischen Ängsten, Krankheiten und Phänomenen des Oberflächlichen beschäftigt, doch das Alltägliche stets mit dem Metaphysischen verschränkt.
Schon vor vielen Jahren traf Nora Gomringer auf eine riesige Gottesanbeterin. Eine einstündige Begegnung des Schweigens, die zur Hinterfragung des irdischen Seins und der Vielgestaltigkeit von Religion geführt hat. Mit Tiefsinn und Humor, verspielt und verblüffend befragen ihre Gedichte nun Bilder, Bräuche und vermeintliche Gewissheiten, suchen nach Parallelen von Gebet und Gedicht, Literatur und Liturgie.
Die Künstlerin und Kuratorin bewegt sich mit ihrem Werk gewandt zwischen Poesie, Performance, Musik und Mode. Wie keine andere beherrscht sie den sinnlichen Vortrag, das Malen mit Lauten. Für Gomringer ist Klang „wie Geruch, führt zurück und macht uns weich und zugänglich (…), kann uns anstacheln, uns aufregen und den Puls antreiben.“
Roman Ehrlich: Malé
Moderation: Katharina Knüppel
Alle Versuche, die Malediven vor dem steigenden Meeresspiegel zu retten, sind gescheitert: Der Großteil der Bevölkerung musste die Inseln verlassen, Pauschaltouristen haben sich längst neue Ziele gesucht. Die heruntergekommene Hauptstadt Malé wird für die kurze Zeit bis zu ihrem Untergang zur Projektionsfläche für Aussteiger*innen und Utopist*innen, zu einem Ort, an dem neue Formen der Solidarität erprobt werden – und Menschen unauffindbar verschwinden.
Schon seine Dankesrede zum Bremer Literaturpreis 2014 hat Roman Ehrlich der „Freiheit des Erzählens“, dem Unheimlichen als dem „ein für alle Mal Feststehenden“ und der „Angst vor dem Unendlichen, dem Ungreifbaren, Unergründlichen“ gewidmet. „Die Fremdheit, die Gegenstand dieser Angst ist“, schreibt Ehrlich, „ist jedoch mit der Freiheit eng verwandt. Beide werden durch Grenzen definiert. Durch Grenzüberschreitungen.“ Auch „Malé“ (S. Fischer, 2020), das bereits sechste Buch des 1983 geborenen Erzählers, ist ein Grenzgang zwischen Euphorie und Albtraum, Freiheit und Abhängigkeit. „Seine Sätze sind Störfaktoren, raffinierte Täuschungsmanöver“, schreibt Literaturkritikerin Insa Wilke. Sie locken in eine Welt voller Abgründe, die der unsrigen unheimlich ähnelt.
Monika Helfer: Die Bagage
Moderation: Thomas Geiger
„Hier, nimm die Stifte, male ein kleines Haus, einen Bach ein Stück unterhalb des Hauses, einen Brunnen, aber male keine Sonne, das Haus liegt nämlich im Schatten!“ So leicht und beherzt beginnt Monika Helfers Roman „Die Bagage“ (Hanser, 2020) – als Porträt einer Familie, von Josef und Maria Moosbrugger mit ihren Kindern. Doch die Leichtigkeit erweist sich als ebenso flüchtig wie der Kohlestift, der Marias wunderschöne schwarze Augen malt: „Die Wirklichkeit weht hinein in das Bild, kalt und ohne Erbarmen“.
Die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin aus Vorarlberg, zuletzt mit dem Solothurner Literaturpreis sowie dem Bodensee-Literaturpreis 2020, führt uns in die Zeit des Ersten Weltkriegs: Josef muss zur Armee, Maria und die Kinder bleiben allein zurück, auf den Schutz des Bürgermeisters angewiesen. Eines Tages klopft der hübsche Georg an die Tür der Bagage. Und eines Tages wird Maria schwanger mit Grete, dem Kind der Familie, mit dem Josef nie ein Wort sprechen wird: der Mutter der Autorin. Eindringlich und anschaulich, klug und sensibel erzählt Monika Helfer die Geschichte ihrer Herkunft.
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Foto Monika Helfer: © Isolde Ohlbaum
Datum: 08.11.2020, 15-18 Uhr
Ort: Historisches Kaufhaus, Münsterplatz 24
Eintritt: 5 Euro (für alle drei Lesungen)