Sasha Marianna Salzmann / Jo Lendle / Monika Helfer
35. Literaturgespräch: Kurzlesungen mit Gespräch
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Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein
Moderation: Hanna Hovtvian
„Ich blicke immer noch nicht durch: In der UdSSR herrschte Wohnungsnot, aber manche hatten eigene Häuser, alle waren Kommunisten, aber glaubten an Gott und Geld, sie waren Juden und gleichzeitig Atheisten.“ Nächte, Wochen, Monate hat Nina mit Dokumenten, Zeitungsberichten und Reportagen verbracht, um zu verstehen, was nicht mehr existiert: ein zerfallenes Land, eine verschwiegene Zeit und die Widersprüchlichkeit der unterschiedlichen Realitäten. Die „Fleischwolf-Maschine“, die ihre Mutter Tatjana und deren Freundin Lena mit sich gerissen hat. Ihren Antrieb, die Ukraine nach dem Umbruch zu verlassen, um in Jena noch einmal von vorn zu beginnen. Sasha Marianna Salzmanns zweiter Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ (Suhrkamp,2021) erzählt vom Zerfall der Systeme, von rasanten Umwälzungen und allmählichem Wandel. Von Menschen, die an einer ganz bestimmten Art Phantomschmerz leiden: „Das Land, in das sie hineingeboren wurden, ist schon amputiert, aber es schmerzt trotzdem noch“.
Für ihre Theaterstücke erhielt die Hausautorin des Berliner Maxim Gorki Theaters zahlreiche Preise, zuletzt den Kunstpreis Berlin 2020. Ihr Romandebüt „Außer sich“ stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis und ist mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2017 ausgezeichnet.
Jo Lendle: Eine Art Familie
Moderation: Torsten Hoffmann
Vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus und die junge DDR bis in die Bundesrepublik der Nachkriegszeit führt Jo Lendles raffiniert komponierter Roman über das Zerbrechen einer Familie – und die feinen Unterschiede zwischen Schlaf, Narkose und Tod. „Es ist die Geschichte einer deutschen Familie. Zufällig meiner eigenen“, sagt Jo Lendle selbst über „Eine Art Familie“ (Penguin, 2021).
Das sechste Buch des Schriftstellers und Verlegers der Hanser Literaturverlage erzählt von den Brüdern Lud und Wilhelm, die Bach und Hölderlin verehren und dieselben unerreichbaren Ideale teilen. Der eine tritt früh in die nationalsozialistische Partei ein, der andere wird Professor für Pharmakologie, erforscht erst den Schlaf und wie man ihn herbeiführen kann, später Giftgas – gequält von seinen eigenen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg. „Als Kind wunderte es mich nicht, dass im Keller Koffer mit der Aufschrift standen ‚Nach meinem Tode ungeöffnet verbrennen‘“, erzählt Jo Lendle, der schließlich doch neugierig wurde auf die Geschichte seines Großvaters, auf das Leben der beiden gegensätzlichen Brüder und des Waisenkinds Alma. Ein Jahrhundert deutscher Geschichte und ein außergewöhnliches Familienporträt.
Monika Helfer: Vati
Moderation: Annette Pehnt
„Auf der Fotografie, die ich über meinen Schreibtisch an die Wand geheftet habe, steht er links, abseits. Er sieht aus, als gehöre er nicht dazu“, schreibt Monika Helfer über ihren Vater. Seit seiner Geburt war Josef ein Außenseiter: Der abgewiesene Sohn eines Bauern, der mit seiner Mutter, der Bauernmagd, im Schopf hauste. Der winzige, blasse Bube mit dem unheimlichen Blick, der sein Entkommen in Buchstaben, Zeichen und Ziffern fand. Jahre später wird er zu einem Kriegsversehrten, zu einem Sprachzerleger, der seine Geschichte hinter der Schweigsamkeit der Bücherregale verbirgt.
Nach ihrem gefeierten Roman „Die Bagage“ führt die zuletzt mit dem Solothurner Literaturpreis 2020 sowie dem Schubart-Literaturpreis 2021 ausgezeichnete Schriftstellerin aus Vorarlberg ihre Familiengeschichte fort. In einem Mosaik aus Erinnerungen an die Nachkriegsjahre erzählt Monika Helfer in „Vati“ (Hanser, 2021) bruchstückhaft von ihrer eigenen Jugend und dem zutiefst traumatisierten Mann, der in die neue Zeit hineinpassen wollte. Zärtlich und suchend blickt sie auf ihren Vater und findet Worte für seine Sprachlosigkeit. „‚Vati‘ ist kein Buch, das Wahrheiten verkündet, sondern eines, das nach den Zwischentönen und Schicksalspunkten von Biografien sucht.“ (Die Zeit)
Foto Sasha Marianna Salzmann: © Marc Doradzillo
Datum: 13.11.2021, 15–18 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Eintritt: 5 Euro (für alle drei Lesungen)
Der Zutritt erfolgt nach dem 3G Modell (geimpft / genesen / PCR-getestet). Im Literaturhaus ist das Tragen einer medizinischen/FFP2 Maske erforderlich. Detaillierte Informationen finden Sie hier.
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